Meinungsmache

In Deutschland haben wir das im Grundgesetz verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung, so wie in vielen anderen Ländern auch. Das ist einerseits eine gute Sache und andererseits führt dieses Recht durchaus zu Streit und durch die dadurch entstehende Meinungsvielfalt auch zu Verwirrung.

Jeder darf seine Meinung über was auch immer kundtun und vertreten, ohne dass ihm ein Strick daraus gedreht werden kann. Theoretisch. In der Praxis gibt es ein paar Einschränkungen, die allerdings eher theoretischer Art sind. Es werden auch nicht wirklich die Meinungen oder deren Äußerung eingeschränkt, sondern vielmehr die oft damit verbundenen Taten oder Aufrufe.

Die zweite Einschränkung, die Du erfahren kannst, lernst Du kennen, wenn Du Dich mit jemandem unterhältst, der nicht kritisch hinterfragt, was ihm vorgesetzt wird. Das kann sehr leicht im privaten Bereich passieren.

Der Rattenfänger Fake-News

Jeder lebt in seiner Filterblase, neudeutsch: in seiner Bubble. Das muss ich auch bei mir immer wieder feststellen. Es ist dabei unerheblich, ob Du Dich 24/7 vom seriellen Fernsehen, von Social Media oder fast schon gar nicht berieseln lässt: entweder bekommst Du relativ einseitige Informationen, oder solche, von denen irgendein Algorithmus glaubt, dass Dir bestimmte Infos zusagen und andere eben nicht oder aber Du hast so wenig neuen Input, dass Du allein deswegen schon in einer relativ kleinen Welt gefangen bleibst.

Ein Beispiel für die Social-Media-Variante ist, dass viele Menschen etwa auf Facebook oder Instagram unterwegs sind und in ihrem Infostream immer wieder gleichartige Infos zugespielt bekommen. Dort findet man dann „Informationen“ über Politiker oder andere prominente Personen, die einem für wahr verkauft werden, die aber, wenn sie nicht direkt gefälscht sind, ursprünglich aus einem ganz anderen Zusammenhang stammen.

Hier wird dann schon einmal ein Video oder ein Bild zu einer Person veröffentlicht, das angeblich aktuell ist und allzu schnell ist man geneigt, das zu glauben, wenn man es sich nur vorstellen kann oder wenn man es einfach nicht besser weiß.

Viele glauben alles

Genau hier fehlt dann das kritische Hinterfragen. Immer wieder gern genommen für solche Dinge sind Politiker. Plötzlich macht ein Bild oder Video die Runde, um jemanden zu diskreditieren, lächerlich zu machen oder einem bestimmten politischen Lager zuzuordnen.

Einige Seiten wie etwa mimikama.at haben es sich zur Aufgabe gemacht, solche Fakes zu entlarven, aber wer sich immer wieder nur die Fakes und nicht die Kritik daran anschaut, wird einen großen Teil davon gar nicht erkennen und schwimmt dann mit einer Strömung mit, die irgendwem vielleicht einen Vorteil einbringt.

So werden Meinungen gemacht, Ströme erzeugt oder Richtungen gelenkt. Werbung macht im Prinzip nichts anderes. Als Beispiel darf mir hier eine x-beliebige Waschmittelwerbung helfen: kein Waschmittel wäscht weißer, keins verstärkt die Farben so gut und vor allem wäscht kein Waschmittel sauberer, als alle anderen auf der Welt.

Es wird eigentlich nur ein ganz bestimmter Aspekt wesentlich übersteigert dargestellt und ein paar unauffällige Parameter werden deutlich hervorgehoben oder verschwiegen, je nachdem, wie es gerade sinnvoll erscheint.

Wenn es um Personen geht, kann man das noch relativ einfach herausfinden, etwa, wenn man sich mal den Haarschnitt, die Kleidung oder die Umgebung genauer ansieht. Oft gibt es reichlich Hinweise darauf, dass das, was einem dargestellt wird, gar nicht stimmen kann. Aber so sammelt man Stimmen für sich, so erzeugt man Klicks und verdient am Ende Geld damit. Mit Unsinn!

Neulich frisch erlebt: Facebook spült jemandem ein Video in die Timeline, in dem Donald Trump, der aktuell immerhin der Präsident der USA ist, in einem eher schlechten Werbevideo seine neue Restaurant-Kette bewirbt, das vielleicht KFC Konkurrenz machen soll. Das Video wurde ursprünglich im vergangenen Jahr von jemandem gepostet und jetzt wurde es von irgendwem wiederentdeckt und weiter verbreitet.

Was ist der Wert?

Man kann das Video jetzt so sehen, dass sich Donald Trump da gerade lächerlich macht oder dass jemand versucht, ihm eine Tat unterzuschieben, die er als Präsident der USA gar nicht darf und für die er auch keine Zeit haben sollte: private Geschäfte nebenher.

Ein genauer Blick auf das Video zeigt einen Donald Trump, der sichtlich jünger ist, als er heutzutage in den Nachrichten zu sehen ist und eine einzige, kurze Suche bei Google hat ergeben, dass das Video aus einer Samstag-Abend-Show im Jahre 2004 stammt. Es war ein Clip in der Show, ein Spaß.

Und doch gibt es Menschen, die das für bare Münze halten und ihm das aktuell zuordnen, nur weil da ein halbwegs aktuelles Datum steht.

Wenn jemand viel solchen Unsinns sieht, wird ihm noch mehr davon in die Timeline gespült, so viel zur künstlichen Intelligenz. Obwohl: es scheint denjenigen ja zu interessieren.

Gegenmaßnahmen

Wenn Du nun versuchst, diesem Konsumenten zu erklären, was er da für einen Unsinn sieht, ist der Konsument konsterniert. Es steht ja auf Facebook und warum sollte Facebook lügen?

Versuche erst gar nicht, mit solchen Menschen zu diskutieren, jedenfalls nicht in diesem aktuellen Moment. Das gibt nur böses Blut. Vor allem kostet Dich das sehr viel Kraft, die Du anders viel besser einsetzen kannst.

Was Du sehr wohl tun kannst, ist das als Trick für Dein eigenes Marketing zu verwenden. Übersteigere eine gute Eigenschaft Deines Produktes und stelle sie so deutlich heraus, dass sie alles andere überschattet.

Ein Problem wirst Du allerdings dann bekommen, wenn Du die einzige positive Eigenschaft überbelichtest und Dein Produkt mehrere oder gar viele schlechte Seiten hat. Dann hast Du zwar nicht gelogen, aber Dein Kunde wird dennoch enttäuscht sein, weil zwar die ausgelobte Eigenschaft stimmt, der Rest aber einfach Murks ist. Mit so einem Produkt solltest Du allenfalls in einem Testumfeld arbeiten.

Auch darf Dir das als Ansporn für Dein eigenes Ding gelten. Mal angenommen, Du hast etwas entwickelt, von dem Du glaubst, dass die Welt es braucht. Entwickle zuerst den wirklich wichtigen Bereich so weit, dass Du es jemandem für Geld anbieten kannst. Entweder darf Dein Produkt dann aber kaum andere Eigenschaften haben oder die weiteren Eigenschaften bewegen sich zumindest in einem akzeptablen Bereich.

Perfektionismus

Du kannst natürlich auch alles perfekt zu Ende entwickeln und erst dann damit auf die Menschheit losgehen. Dann allerdings bekommst Du das Problem, dass Du zuerst einmal wesentlich länger dafür brauchst. So lange lässt sich damit natürlich auch kein Geld verdienen. Als zweiten Nachteil darfst Du Dir am Ende vielleicht ein Produkt in die Ecke stellen, das keiner haben will.

Du solltest Dein Produkt also zunächst um die Haupteigenschaft herum entwickeln und dann direkt verkaufen oder wenigstens testen lassen. Die Weiterentwicklung machst Du dann besser vom Feedback abhängig.

Stellen wir uns dazu mal vor, Du würdest einen neuartigen Flaschenöffner entwickeln. Deine Idee sei, dass der Flaschenöffner in jeder Lage eine Flasche öffnen kann, ohne dass diese dabei ausläuft. Vielleicht denkst Du Dir nun, dass ein Kompass eine gute Sache sei, damit der Kunde ablesen kann, in welcher Lage sich die Flasche oder der Öffner befindet. Tatsächlich wäre das dann eher ein Party-Gag. Wenn das Deine Zielgruppe trifft, bist Du auf dem richtigen Weg. Willst Du allerdings ein ernsthaftes Produkt, das auch in der Gastronomie verwendet werden soll, ist der Kompass vermutlich eher über.

Lege also in erster Linie Wert darauf, dass die Hauptfunktion perfekt ist und frage dann die Kunden, was ihnen fehlt, was sie sich sonst noch wünschen. Das gleiche dann mit Deiner angestrebten Zielgruppe ab und entwickle in diese Richtung weiter. Möglicherweise bist Du auch gedanklich in einer falschen Zielgruppe unterwegs. Wenn Du hier eine breite Auswahl zum Testen hast, bist Du auf jeden Fall im Vorteil.

Wenn Du den Flaschenöffner gleich mit dem Kompass zusammen auf den Markt bringst, könnte eines Tages ein Video auf Facebook die Runde machen, in dem ein schlecht funktionierender Kompass gezeigt wird, mit dem man auch Flaschen öffnen kann. Einen schlecht funktionierenden Kompass will aber niemand.

Stay focused!

Jörg